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Fehlerort

Auszüge des Handbüchleins "Elektrische und wärmetechnische Messungen" der Firma Hartmann & Braun AG Frankfurt/Main, 2. Auflage, 1941 (H&B Druckschrift 481a / 20.000 / 6.41). Entsprechend UrhG §66 ist die Schutzfrist inzwischen abgelaufen (Stand von 2012), der Inhalt ist daher gemeinfrei. Das gescannte Büchlein findet sich im Abschnitt Schrifttum als PDF Datei.

An Kabeln können folgende grundsätzliche Fehler auftreten:
1. Eine oder mehrere Adern des Kabels haben Erdschluß oder Nebenschluß (Berührung).
2. Alle Adern haben Erdschluß.
3. Eine oder mehrere Adern sind unterbrochen.
4. Alle Adern sind unterbrochen.

In der Praxis treten diese vier grundsätzlichen Fehlermöglichkeiten leider oft nicht rein auf, sondern sind vermengt. Die Bestimmung des Fehlerorts erfordert deshalb in jedem einzelnen Fall reifliche Überlegung und gesunden Menschenverstand, vor allem aber Erfahrung und Vertrautheit mit der vorhandenen Kabelmeßeinrichtung. Die letzte Forderung wird am besten durch häufigen Gebrauch der Meßeinrichtung, auch für nebensächliche Meßaufgaben, erworben.
Häufig ist es zweckmäßig, zur Kontrolle mehrere Messungen vorzunehmen, sei es nach verschiedenen Methoden oder, wie z. B. bei der Schleifenmethode, unter Verwendung verschiedener gesunder Hilfsadern oder auch von zwei verschiedenen Stellen aus usw. Die Auswertung der Meßergebnisse muß mit Sorgfalt und Überlegung vorgenommen werden.

Feststellung der Art des Fehlers

Die Ermittlung des Fehlerorts erfordert je nach der Art des Fehlers eine besondere Methode. Um überhaupt feststellen zu können welcher Fehler vorliegt, ist vor der Messung der Kabelzustand festzustellen, was etwa folgendermaßen geschehen kann:

a) Prüfung auf Kabelbruch
Alle Adern des Kabels werden bei A geerdet (Bild 9). Der Reihe nach werden sie mit einem Isolationsprüfer, z. B. mit einem Kurbelinduktor (siehe Kurbelinduktor) auf Stromdurchgang geprüft. Ist der Widerstand einer Ader ∞ oder sehr hoch, so ist mit Sicherheit Aderbruch vorhanden.
b) Prüfung der einzelnen Adern auf Erdschluß
Der Isolationswert der einzelnen Adern gegen Erde ist der Reihe nach festzustellen. Erdschluß ist bei sehr niedrigem Isolationswert gegeben.
c) Prüfung der einzelnen Adern auf Nebenschluß (Berührung)
Der Isolationswert jeder Ader gegen sämtliche anderen Adern ist festzustellen. Bei sehr niedrigem Isolationswert ist Nebenschluß (Berührung) vorhanden.
d) Widerstandsmessung
Mit Hilfe einer Widerstands-Meßbrücke ist der Widerstand sämtlicher Kabelschleifen zu bestimmen. Diese Messung dient gleichzeitig als Kontrollmessung.

1. Eine oder mehrere Adern haben Erdschluß

Der Fehlerort wird durch eine Widerstandsverhältnis-Messung gefunden. Der Einfachheit halber wird im Nachstehenden eine Fehlerorts-Meßbrücke mit kreisförmig angeordnetem Schleifdraht mit Hundertteilung der Meßdrahtlänge angenommen.

a) Schleifen-Methode (vorwiegend für Schwachstromkabel)
Die Ader mit Erdschluß wird bei A mit einer gesunden Ader verbunden. Die Meßbrücke wird an die beiden offenen Enden angeschlossen (Bild 10). Bei Stromlosigkeit des Galvanometers ergibt sich bei einer Hundertteilung der Meßdrahtlänge:
a : 100 = x : 2 l
x = 2 l * a / 100
Die Ablesung am Schleifdraht ergibt also unmittelbar den Fehlerort in Prozenten der Schleifenlänge (= doppelte Kabellänge).
Bei dieser Messung geht der Widerstand der Kabelzuführungen (Zuleitungen zur Meßbrücke und Verbindung bei A) in die Rechnung ein. Der dadurch entstehende Meßfehler wird also um so geringer, je kleiner der Widerstand der Kabelzuführungen ist. Bei dünnen, langen Kabeln (z. B. Fernsprechkabeln) wird der Meßfehler bei Verwendung entsprechend dicker Zuleitungen vernachlässigbar klein; bei dicken Kabeln kann er durch Verwendung entsprechend dickerer Kabelzuführungen, die außerdem zur Vermeidung von Übergangswiderständen gut verklemmt werden müssen, verringert werden.

Drei-Punkte-Messung nach Graf (vorwiegend für Starkstromkabel)
Diese Schaltung (Bild 11) gewährleistet höchste Genauigkeit, da der Querschnitt und die Länge der Hilfsleitungen (Zuleitung z, Hilfsader I und II) ohne Einfluß sind. Es können also als Hilfsadern I und II entweder gesunde Adern des Kabels oder fremde Leitungen beliebigen Querschnitts verwendet werden.
Bei der Messung ist der Umschalter U der Reihe nach auf die Stellungen 1, 2, 3 zu schalten, wobei jedesmal auf dem Schleifdraht die Stelle festzustellen ist, bei der das Galvanometer stromlos wird. Sind die drei Ablesungen am Schleifdraht a1 a2 und a3, und ist 1 die einfache Kabellänge, so wird der Fehlerort errechnet:
x = l * (a2 - a1) / (a3 - a1)

2. Alle Adern haben Erdschluß

Der Messung liegt eine besondere Stromverzweigungs-Schaltung nach Graf zugrunde. Die Methode kann nur dann angewendet werden, wenn mindestens vier Adern mit Erschluß vorhanden sind.
In die zwei Adern b und c (Bild 12) wird Gleichstrom geschickt, von dem ein Teil über die Erdwiderstände in die beiden Adern a und d eindringt und sich in diesen nach beiden Seiten im umgekehrten Verhältnis ihrer Widerstände verzweigt. Der eine Zweigstrom fließt durch das Galvanometer G1 der andere durch G2. Haben beide Galvanometer gleiche Empfindlichkeit, und sind a1 und a2 die Zeigerausschläge, so ergibt sich, wenn l die Gesamtlänge des Kabels ist:
a1 : a2 = (l - x) : x
x = l * a2 / (a1 + a2)

In der Praxis wird die Meßanordnung nach Bild 13 ausgeführt. Parallel zum Galvanometer Gi wird ein Schleifdraht geschaltet, dessen Schleife bei der Messung so eingeregelt wird, daß beide Galvanometer gleichen Ausschlag zeigen. An einer geeichten Schleifdrahtskala kann das Meßergebnis in Prozenten der Schleifdrahtlänge unmittelbar abgelesen werden.

3. Eine oder mehrere Adern sind unterbrochen

Der Fehlerort wird durch Vergleichen der Kapazitäten der beiden Leitungslängen x und 2 l - x gegen Erde ermittelt.

a) Messung mit Gleichstrom nach Graf (vorwiegend für lange Kabel)
Die gebrochene Ader wird mit einer gesunden Ader bei A verbunden, die Meßbrücke an die beiden offenen Enden angeschlossen (Bild 14). Auf Stellung 1 des Umschalters U werden die beiden Kabelstücke x und 2 l - x geladen, auf Stellung 2 entladen.
Der Schleifer wird auf dem Meßdraht so lange verschoben, bis das Galvanometer bei der Ladung bzw. Entladung keinen Ausschlag mehr zeigt.
Ist Cx die Kapazität von x und C2 von 2 l — x, so gilt bei einer Hundertteilung der Meßdrahtlänge:
a : (100 - 1) = C2 : C1
Da die Kapazitäten bei gleicher Leiteranordnung verhältnisgleich den Längen sind, so können diese an Stelle von C1 und C2 eingesetzt werden:
a : (100 - a) = (2 l - x) : x
x = 2l * (100 - a) / 100
Der Vorteil dieser Methode liegt darin, daß die Messung mit einem gewöhnlichen Galvanometer ausgeführt werden kann. Ein ballistisches Galvanometer ist also nicht erforderlich. Im Gegensatz zu den bisher aufgeführten Methoden wird eine höhere Meßspannung (etwa 100 V) benötigt.

In dieser einfachen Form kann die Schaltung jedoch nur dann verwendet werden, wenn reine Aderunterbrechung vorliegt. Hat die Unterbrechungsstelle gleichzeitig einen Isolationsfehler, so wird zweckmäßig die Schaltung nach Bild 15 verwendet. Bei dieser wird in den Galvanometerstromkreis ein Schalter gelegt, der mit dem Umschalter U derart gekuppelt ist, daß das Galvanometer nur bei der Entladung des Kabels einen Stromstoß erhalten kann.
Die Umschaltung von 1 auf 2 hat möglichst schnell zu erfolgen, am besten mit Telephonrelais und Taster.

b) Messung mit Wechselstrom (vorwiegend für kürzere Kabel)
Die gebrochene Ader wird mit einer gesunden Ader bei A verbunden, die Meßbrücke an die beiden offenen Enden angeschlossen. Der Wechselstrom wird mit Batterie und Summer erzeugt. An Stelle des Galvanometers wird ein Kopfhörer verwendet. Bei Tonstille bzw. Tonminimum im Kopfhörer ergibt sich bei einer Hundertteilung der Meßdrahtlänge, wenn Cx die Kapazität von x und C2 von 2 l — x ist:
a : (100 — a) = C2 : C1
oder, da die Kapazitäten verhältnisgleich den Längen sind:
a : (100 — a) = (2 l - x) : x
x = 2 l * (100 - a) / 100

c) Messung mit Kapazitätsmeßbrücke (vergleich auch Kapazitäts-Meßbrücke)
Die gebrochene Ader wird mit einer gesunden Ader bei A verbunden (Bild 17). Gemessen werden die Kapazitäten gegen Erde von x (= Ci) und von 2 1 — x (= C2). Da die Leitungslängen verhältnisgleich den Kapazitäten sind, ergibt sich:
x : (2 l — x) = C1 : C2
x = 2 l * C1 / (C1 + C2)
Mit der Kapazitäts-Meßbrücke läßt sich auch bei weniger guter Isolation höhe Meßgenauigkeit erzielen, da der Fehlwinkel durch einen Phasen-Abgleich- widerstand ausgeglichen und scharfes Tonminimum im Kopfhörer erzielt werden kann.

d) Messung mit ballistischem Galvanometer
Der Reihe nach werden die Kabellängen x und 2 1 — x mit der Spannung U geladen und über das ballistische Galvanometer entladen. Die ballistischen Ausschläge a1 und a2 verhalten sich wie die Längen der entsprechenden Kabelstücke (vergl. auch ballistisches Galvanometer).
Diese Methode kann nur bei reinem Aderbruch angewendet werden, d. h. wenn kein Isolationsfehler vorliegt. Die erzielbare Meßgenauigkeit wird beeinflußt durch den unvermeidlichen subjektiven Ablesefehler bei der Bestimmung des ballistischen Ausschlages.
In jedem Falle verdient die Messung nach 3a den Vorzug, weil dort einerseits ein gewöhnliches Galvanometer verwendet werden kann, das genaue Ablesung ermöglicht, andererseits auch genaue Messung bei Vorliegen von Isolationsfehlern möglich ist.

4. Alle Adern sind unterbrochen

Zur Bestimmung des Fehlerorts wird die Kapazität am Anfang und am Ende einer Ader gegen Erde gemessen, d. h. die Kapazität der Kabellängen x und l —x.

Die Kapazitäten sind verhältnisgleich den Aderlängen. Ist 1 die Gesamtlänge des Kabels, Ci die Kapazität des einen Teiles der Ader von der Länge x und C2 die Kapazität des anderen Teiles von der Länge 1 —x, so kann der Fehlerort ermittelt werden:
x : (2 l — x) = C1 : C2
x = 2 l * C1 / (C1 + C2)
Zur Erzielung größerer Sicherheit wird die Messung zweckmäßig an mehreren Adern durchgeführt.